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BGH: Vertagung auch ohne Antrag auf Schriftsatznachlass

Wenn das Berufungsgericht einen Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung erteilt, die betroffene Partei sich aber offensichtlich hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergeht, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Darauf hat der BGH durch Beschluss vom 12.01.2022 – XII ZR 26/21 – unter Hinweis auf GG Art. 103 Abs. 1, ZPO § 139 Abs. 4, ausdrücklich hingewiesen (IBRRS 2022, 0560).

In dem Rechtsstreit ging es um Gewerberaummiete bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2018. Die Parteien hatten vereinbart, dass der beklagte Mieter eine Gewerbehalle herzurichten und notwendige behördliche Genehmigungen einzuholen hatte. Die Miete wurde zuletzt nicht mehr vollständig entrichtet. Der beklagte Mieter hatte dies damit begründet, dass der Vermieter seinerseits bestimmte ihm gegenüber übernommene Verpflichtungen nicht mehr erfüllt habe. Während das Landgericht die Klage aufgrund der Hilfsaufrechnung des Mieters wegen vergeblicher Aufwendungen abwies, wies das OLG erst in der Berufungsverhandlung darauf hin, dass es bezweifele, ob die der Hilfsaufrechnung zu Grunde liegenden Forderungen begründet seien. Der Mieter wurde zur Zahlung verurteilt.

Hiergegen richtete sich seine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, vom Berufungsgericht einen Hinweis zu erhalten, wenn es in einem entscheidungserheblichen Punkt von der Entscheidung der Vorinstanz abweichen will und deshalb eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält. Dieser Hinweis muss so rechtzeitig erteilt werden, dass der Berufungsbeklagte hierauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann. Wird der Hinweis – entgegen § 139 Abs. 4 ZPO – erst in der mündlichen Verhandlung erteilt, ist der betroffenen Partei Gelegenheit zur Reaktion hierauf zu geben. Kann sie sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung dazu nicht abschließend erklären, muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergehe, die mündliche Verhandlung vertagen, damit die betroffene Partei Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt. Eines ausdrücklichen Vertagungsantrags bedarf es dazu nicht (vgl. IBR-online IBR 2022, 277).

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