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Bauzeitenverlängerung = Anspruch auf Nachtragsvergütung?

Bauzeitenverzögerungen sind gang und gäbe. Gerade in Zeiten hoher Inflation werden solche schnell für Auftragnehmer (AN) zum Problem, insbesondere beim Fehlen von Preisgleitklauseln, um Material- und Lohnkostensteigerungen aufzufangen.

Die Rechtsprechung macht es dem AN auch im Bereich der VOB/B erst einmal nicht gerade einfach, einen Mehrvergütungs- oder Schadensersatzanspruch zu realisieren:

Wird vom AG eine Verzögerung der Bauausführung angezeigt, ist diese Anzeige nach Auffassung des BGH jedenfalls nicht nicht als Anordnung des Auftraggebers (AG) zu werten (BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17, Rz. 40, IBRRS 2017, 3751). Gleiches gelte für die Mitteilung des AG, es lägen veränderte (Bauzeit-)Umstände vor. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B bestehe nicht, wenn es an einer schuldhaften Vertragsverletzung des AG fehlt.

So muss sich der AG zum Beispiel das Verschulden des Vorunternehmers an der Verzögerung nicht zurechnen lassen (BGH, IBR 2000, 216). Auch ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn es zur Materialpreiserhöhung erst bei Ausführung der verschobenen Werkleistung und nicht bereits zum Zeitpunkt des Annahmeverzuges gekommen sei (OLG Hamburg, Urteil vom 27.11.2020 – 8 U 7/20; BGH, Beschluss vom 27.10.2021 – VII ZR 11/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Letzlich handelt es sich um Fälle, in denen der Mehrvergütungsanspruch aus § 1 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 VOB/B dem AN nicht zusteht, weil deren Ursachen vom AG nicht zu vertreten sind. Da das Festhalten am Vertrag für den AN ungeachtet dessen unzumutbar werden kann, wird empfohlen, dass der AN jedenfalls dann, wenn ihm die Ausführung der Leistung wegen verzögerter Vorgewerke nicht ermöglicht wird,  deshalb (auch) eine Kündigung des Bauvertrags wegen Annahmeverzugs nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B in Betracht ziehen sollte. Diese Kündigungsmöglichkeit bestünde nach Ansicht der Rechtsprechung und Literatur neben der aus § 6 Abs. 7 VOB/B und würde keine dreimonatige Unterbrechung voraussetzen (OLG Celle, IBR 2014, 656; OLG Düsseldorf, IBR 1995, 378). Die Kündigung ist gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 VOB/B erst zulässig, wenn dem AG ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und die Kündigung angedroht wurde. Sie ist schriftlich zu erklären (§ 9 Abs. 2 Satz 1 VOB/B; § 650h BGB) (vgl. Bolz, IBR online 2022, 283).

Inwieweit der AG dem AN zur Auskunft verpflichtet ist, die Ursachen für die Bauzeitenverzögerungen aufzuklären, um die dafür Verantwortlichen haftbar zu machen, erscheint noch nicht hinreichend geklärt.

Hat der AG dagegen die Bauzeitenverzögerung zu vertreten, etwa durch Unterlassung ihm obliegender Mitwirkungshandlungen, verzögerter Vergabe des Bauauftrags o.ä., steht dem AN in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B ein Anspruch auf Mehrvergütung zu, OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2011 – U (Kart) 11/11, IBRRS 2011, 2798; VPRRS 2011, 0240). Ein Festhalten am Vertrag ist dem AN dann und deswegen grundsätzlich aber durchaus zumutbar, so dass hier kein Kündigungsrecht greift.

Im Streitfall ist also immer eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich, die auch eine entsprechende Dokumentation voraussetzt. Dies gilt für AG und AN gleichermaßen.