Erfüllt ein Bauträger seine bauwerkvertraglichen Pflichten nicht, kann dem Erwerber ggf. auch schon vor Abnahme ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen.
Dies zeigt folgender Fall, in dem das Oberlandesgericht Brandenburg mit Urteil vom 05.07.2023, Az. 4 U 105/22 (Volltext: IBRRS 2023, 1939) festgestellt hat, dass der Rücktritt eines Bauträgers vom Bauvertrag wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Kaufpreisraten unwirksam war:
Der beklagte Bauträger hatte mit einem Erwerber einen Vertrag über eine Eigentumswohnung geschlossen. Nachdem der Erwerber festgestellt hatte, dass die ursprünglich erteilte Baugenehmigung für die Wohnung nach der dortigen Wohnflächenberechnung lediglich eine Wohnfläche von ca. 87,5 Prozent der im Kaufvertrag vereinbarten Wohnfläche aufwies, bat er mehrfach und zuletzt unter Rücktrittsandrohung um Mitteilung, welche Wohnfläche die Wohnung nach der auszuführenden Planung haben werde. Auf die Abschlagsrechnungen zahlte der Erwerber nur einen Teilbetrag und erläuterte schriftlich die Höhe seines Einbehalts; ferner stellte er in Aussicht, diesen bei Nachweis der von ihm festgestellten Flächenabweichungen freizugeben.
Der Bauträger seinerseits mahnte den noch offenen Rechnungsbetrag an und trat schließlich vom Vertrag zurück.
In erster Instanz wurde die Klage des Erwerbers auf Feststellung, dass der Rücktritt unwirksam gewesen sei, abgewiesen. Das Landgericht hatte zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei zum Rücktritt berechtigt gewesen, da die in Rechnung gestellten Abschlagszahlungen größtenteils fällig gewesen seien. Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des BGH vom 27.10.2011 – VII ZR 84/09 – ermögliche die Geltendmachung von Gegenrechten vor Abnahme nur insoweit, als sie sich auf den jeweiligen Bautenstand bezögen. Mangelgewährleistungsrechte habe der Kläger (Erwerber) erst bei Abnahme geltend machen können.
In der Berufungsinstanz hatte der Kläger dagegen Erfolg. Das OLG Brandenburg sah den Rücktritt des Bauträgers als unwirksam an. Zwar seien die Abschlagsforderungen des Bauträgers fällig gewesen, dem Kläger habe aber sehr wohl unter Berücksichtigung des Bautenstands ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB zugestanden. Dieses beruhe im vorliegenden Fall darauf, dass Planung und Herbeiführung der Baugenehmigung allen Bauleistungen als Vorarbeiten zugrunde liegen, hier aber nicht vollumfänglich erfüllt waren.
Ein Leistungsverweigerungsrecht muss nicht endgültig sein. Es ist – wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird – aber ein legitimes Mittel, um Druck auf den Vertragspartner auszuüben, den Vertrag zu erfüllen. Soweit der Bauträger den Vertrag noch erfüllt, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Erwerbers, der (wenn nicht andere Einwendungen greifen) ggf. die einbehaltenen Zahlungen entsprechend nachentrichten muss.